Treffen 15 - 16. Oktober 2025
Wir treffen uns im BTV Stadtforum in Innsbruck und kommen in den Genuss einer Einführung in die Ausstellung EVERYTHING BEGINS TO FLOAT von Tamas Dezső.
Wenn der Wald zu schweben beginnt
In der Ausstellung zeigt der ungarische Fotograf und Künstler Tamás Dezsö eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit dem Lebensraum Wald und dessen fragilem Gleichgewicht. Die Schau verbindet präzise Beobachtung, fotografische Experimentierlust und eine feine Sensibilität für ökologische Zusammenhänge.
Im Zentrum stehen großformatige Aufnahmen von Waldböden in allen vier Jahreszeiten, die Dezsö als Farbnegative präsentiert. Aus der Umkehr der Farben entsteht eine fast abstrakte, schwebende Bildwirkung, die das Sehen selbst zum Thema macht. Über ein Tablet können wir die Fotografien digital ins Positive umwandeln – ein verblüffender Effekt, der Wahrnehmung und Realität spielerisch hinterfragt.
Ein weiteres zentrales Werk ist eine Leiter aus Hölzern bedeutender alter Bäume aus aller Welt, die dem Künstler nach einem offenen Aufruf zugesandt wurden. Sie steht als Symbol des Aufstiegs und zugleich als Mahnung angesichts der Verletzlichkeit globaler Wälder. Ergänzt wird die Schau durch mikroskopische Aufnahmen von Pflanzenstengeln, die den Blick von der Landschaft in die kleinsten organischen Strukturen lenken.
Besonders eindrücklich sind Arbeiten, die auf Waldbrände und ihre Folgen reagieren: Mit Kohlestift zeichnet Dezsö die in Klangkurven übertragenen Hilfeschreie von Vögeln, ein Baumstamm mit geschmolzenem Aluminiumschild verdeutlicht die zunehmende Hitze der Feuer.
Technische Aspekte (Fototechnik, Vergrößerung, Negativumkehr), materielle Details (Holzfragmente, Kohlereste) und inhaltliche Ebenen (Wahrnehmung, Klima) werden in der Führung miteinander verwoben – mit diesen wertvollen Informationen und inspiriert von der Vielfalt des Gesehenen treten wir den Weg ins Medienzentrum an, wo uns der nächste Programmpunkt erwartet.
Wenn Bilder Geschichten erzählen
Im Medienzentrum erwartet uns ein Vortrag des ehemaligen Programmchefs von Radio Tirol und erfahrenen Kommunikationsprofis Christoph Rohrbacher. Unter dem Titel Visual Storytelling widmet er sich der erzählerischen Kraft von Bildern – und der Frage, warum sie uns so unmittelbar berühren.
Rohrbacher zeigt, dass Bilder – anders als Texte – weniger konkret, dafür aber deutlich emotionaler und intuitiver wirken. Sie sprechen das Unbewusste an und umgehen oft jene kritische Distanz, die wir im Umgang mit Sprache erlernt haben. In einer Welt, in der wir täglich von Millionen visueller Signale überflutet werden, sei es entscheidend, die Mechanismen der Bildwirkung zu verstehen, um nicht nur Betrachter:innen, sondern auch bewusste Leser:innen von Bildern zu werden.
Anhand vielfältiger Beispiele – von Reportagefotografien bis zu Ikonen der Kunstgeschichte – erläutert Rohrbacher, wie Komposition, Linienführung und Bildbalance unsere Wahrnehmung steuern. Er verweist auf Rudolf Arnheims „Macht der Mitte“, erklärt, wie Dynamik und Gleichgewicht in Bildern Spannung erzeugen, und zeigt, dass sich gute Gestaltung häufig auf Intuition stützt.
Von Michelangelos „Erschaffung Adams“ bis zu Fotografien von Steve McCurry, Margaret Bourke-White und Vivian Maier spannte sich der Bogen durch die Geschichte des visuellen Erzählens. Dabei wird deutlich: Jede Geschichte braucht einen Konflikt, eine Herausforderung und eine Figur, die sie trägt. Der entscheidende Punkt aber bleibt die Frage: Was willst du erzählen – und was soll sichtbar werden? Selbst kleine Beschnitte können den Sinn eines Bildes verändern und damit eine völlig neue Geschichte entstehen lassen.
Mit seinem lebendigen Vortrag gelingt es Christoph Rohrbacher, uns zu sensibilisieren und zu inspirieren – für einen bewussteren, reflektierten Umgang mit der Macht der Bilder.
Wenn Arbeit zur Ansichtssache wird
Nach einem intensiven Nachmittag Ende September stehen schließlich die passenden Bilder für die kommende Ausstellung fest. Werner stellt die Projekte der neun teilnehmenden Fotograf:innen einzeln vor – eine spannende Vorschau auf die Vielfalt und Ausdruckskraft der neuen Serie Ansichtssache Arbeit.
Besonders bemerkenswert diesmal die Präsentationsform: Die Arbeiten werden nicht digital, sondern als hochwertige Fine-Art-Prints gezeigt. Dadurch können wir die Materialität, Farbigkeit und Tiefenwirkung der Bilder unmittelbar erleben. Das Betrachten im Originaldruck eröffnet eine neue Intensität der Wahrnehmung und lässt Details hervortreten, die auf dem Bildschirm oft verloren gehen.
Ansichtssache Arbeit verdeutlicht einmal mehr, dass Fotografie nicht nur dokumentiert, sondern Denkprozesse anstößt – und dass jedes Bild, bewusst gestaltet, Teil einer größeren Erzählung ist. Zur Eröffnung der Ausstellung am 13. November 2025 um 18 Uhr in der Fotogalerie am Grillhof sind alle herzlich eingeladen!
Wenn Tirol ins Bild rückt
Im Rahmen des Projekts "Tirol im Bild" liefert Martin einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand und präsentiert neue Fotografien aus den Bezirken Reutte und Kufstein. Wie gewohnt nehmen wir uns etwas Zeit, eine Auswahl der neu entstandenen Arbeiten gemeinsam zu betrachten.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Vorstellung der kürzlich veröffentlichten Gemeinden des Bezirks Schwaz auf der Plattform LEON. So wurde deutlich, wie sich das Projekt weiterentwickelt und die Bilder Verwendung finden.
Martin ermutigt alle Anwesenden, weiterhin ihre fotografischen Beiträge einzureichen und damit das gemeinsame Bildarchiv zu bereichern. Das Projekt lebt vom Mitmachen: Je mehr Fotos aus den unterschiedlichsten Perspektiven zusammenkommen, desto vollständiger und vielfältiger wird der visuelle Überblick über Tirol.
Mit dieser Präsentation wird nicht nur die aktuelle Arbeit dokumentiert, sondern auch die Bedeutung kollektiver fotografischer Arbeit deutlich: "Tirol im Bild" zeigt das Land, wie es von den Augen der Teilnehmenden wahrgenommen wird – mal vertraut, mal überraschend.
Wenn Grenzen sichtbar werden
Über den Sommer hat Rosi Gmachl-Mariacher intensiv an ihrem Projekt Übergänge gearbeitet – einer fotografischen Erkundung des Überschreitens geografischer Linien. In leisen, zugleich präzisen Bildern spürt sie den Grenzräumen Tirols nach und macht Orte sichtbar, die im Alltag leicht übersehen werden.
Im Rahmen ihres Beitrags gewährt Rosi Einblick in den aktuellen Arbeitsprozess und erläutert, wie sie die fotografische Annäherung an Grenzen gestaltet. Besonders faszinierend sind die Details, die sie zu Grenzmarkierungen zu berichten weiß: etwa die unterschiedlich ausgeprägte Ausformung je nach Nachbarland oder benachbartem Bundesland. Diese Beobachtungen zeigen, wie komplex und vielgestaltig vermeintlich einfache Linien in der Landschaft tatsächlich sind.
Das Projekt nähert sich dem Ende und wird im Februar 2026 in einer Ausstellung präsentiert. Bereits jetzt vermittelte Rosis Vortrag einen intensiven Eindruck davon, was uns da erwarten wird.





